Das Urteil von Seniorenbundpräsidentin LAbg.Ingrid Korosec am aktuellen Pflegesystem fällt wenig positiv aus: „Wir haben in Österreich das falsche Verständnis von Pflege – und das spiegelt sich im aktuellen Pflegesystem wider. Es ist intransparent und nicht so effizient, wie es sein sollte. Betroffene haben keine Ansprechpartner und werden im Kompetenzdschungel zwischen unterschiedlichen Stellen zerrieben. Die Zahlungsströme zwischen den einzelnen Stellen sind verwirrend und es gibt viele Doppelgleisigkeiten. Pflege- und Betreuungsangebote sind auch zwischen den Bundesländern nicht einheitlich. Prävention und Selbstständigkeit zu erhalten wird nachrangig betrachtet.“
Für Korosec ist es allerhöchste Zeit, die Wende in der Pflege zu schaffen. Darum fordert sie, in den aktuellen 15a-Verhandlungen zwischen Bund und Ländern die Weichen für ein neues Verständnis von Pflege und eine echte Reform zu stellen. Korosec hebt das dänische Pflegesystem als Vorbild hervor, welches in den 1980er Jahren wie in Österreich aufgebaut war und damals kurz vor dem Kollaps stand.
Die Dänen haben mittlerweile die 180-Grad-Wende bei der Pflege geschafft. Statt wie früher 80 Prozent der Pflegebedürftigen sind mittlerweile nur noch zwölf Prozent von ihnen in Heimen untergebracht, bei gleichen Kosten pro Kopf ist das System effizienter als in Österreich und die Zufriedenheit viel größer. „Dänemark muss uns Vorbild dafür sein, wie wir es schaffen können, aber auch eine Warnung sein, was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher“, betont Korosec.
Ingrid Korosec hat dazu einen 7-Stufenplan zu einer nachhaltigen Reform des Pflegesystems ausgearbeitet. Diesen wird sie Gesundheitsminister Rauch und der Bundesregierung vorlegen. „Die Zeit drängt! Bei den Finanzausgleichsverhandlungen wird die Richtung für die kommenden vier bis sechs Jahre vorgegeben. Wenn wir nicht jetzt die richtigen Weichen stellen, fahren wir wieder mehrere Jahre auf dem falschen Gleis – und früher oder später gegen die Wand!“, warnt Korosec.
Der 7-Stufenplan zur Reform des Pflegesystems:
- One-Stop-Shop für Pflege und Betreuung. „Beratung, Vermittlung und administrative Abwicklung müssen gebündelt werden. Im Idealfall muss die Anforderung einer Heimhilfe so einfach sein, wie eine Reise zu buchen!“
- Finanzierung aus einer Hand: Weg von unübersichtlichen und teuren Finanzströmen hin zu einer effizienten und übersichtlichen Finanzierung aus einer Hand! „Die Finanzierung soll nach dem Leistungsprinzip erfolgen: Der Bund soll für die Leistungen zahlen, die die Länder erbringen. Das gewährleistet Klarheit, Einheitlichkeit und Transparenz.“
- Personaloffensive und Berufsbild „Pflegekraft“ verbessern – nur so werden wir die bis 2030 benötigten 75.000 zusätzlichen Pflegekräfte auch bekommen! „Dazu gehört auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, etwa durch höhere Bezahlung und mehr psychosoziale Begleitung für Pflegekräfte.“
- Ausbau der mobilen Dienste und Prävention: Pflege daheim statt im Heim muss das Paradigma sein! „Die Menschen wollen daheim gepflegt werden, das darf aber nicht auf Angehörige abgewälzt werden!“
- Professionelle Pflegeangebote müssen in allen Bundesländern gleich sein! „Aktuell hängt es vom Bundesland ab, wie viele Pflegeleistungen durch das Pflegegeld abdeckbar sind. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern betragen bis zu 100 Prozent!“
- 24-Stunden-Betreuung muss besser finanziert werden. „Die Erhöhung der Förderung der 24-Stunden-Betreuung von 550 Euro auf 640 Euro ist zu wenig und deckt nicht einmal die Inflation ab. Es braucht eine Verdoppelung von 550 Euro auf 1100 Euro! Auch der Angehörigenbonus muss verbessert werden: Geltung bereits ab Pflegestufe 3 und die Voraussetzung des „gemeinsamen Haushaltes“ muss fallen!“
- Digitalisierungsschub bei Gesundheit und Pflege nach nordischen Vorbildern wie Estland oder Finnland. „Es fehlt weiterhin der rechtliche Rahmen für die Digitalisierung im Gesundheits- und Pflegewesen. Dabei würde allein die flächendeckende Einführung der Teleberatung, also zum Beispiel das Besprechen eines Laborbefundes online oder via Telefon, österreichweit bis zu 1,5 Milliarden Euro einsparen!“